» zum Seitenende
Die Oberressl-Theuer Saga  (Teil 3)

Exodus

 
 
Im Mai 1945 war der Krieg aus. Die Staatsangehörigkeiten wurden wieder so hergestellt, wie sie vor dem Krieg gewesen waren. Wie meine Eltern wurde auch ich jetzt österreichischer Staatsbürger. Als solche wurden wir nicht ausgesiedelt wie die alteingesessenen Sudetendeutschen. Da der Vater in Russland vermisst war, faßte meine Mutter den Entschluß, nach Österreich auszureisen.  
 
Viele andere Österreicher taten dasselbe. Ich denke, daß diese Trecks von Österreich organisiert waren. Man war auf sporadisch bereitgestellte Lastzüge angewiesen. Mit so einem Tross heimkehrender Österreicher verließen wir im September 1945 Gablonz. Wenigsten konnten wir mitnehmen was nicht zu sperrig war. Die Sachen kamen auch wiklich in Österreich an.  
 
In mehrere Kisten hatte meine Mutter alles eingepackt, was ihr wichtig schien: Küchenuhr, Fleischwolf, Kaffemühle, Bröselmaschine, Eßgeschirr, Kaffegeschirr, Eßbesteck, Zuckerzange, Bräter, Mohnmühle, Nudelwalker, ein Bild, Klistierspritze, Fleischhammer, Keksformen, Backbleche, Töpfe, Pfannen, Christbaumschmuck, Guglhupfform, Wäschekorb, Lavoir; die Gegenstände waren mit Federbetten gegen Klappern und Bruch gesichert. Dann war da noch ein großer, geflocktenen Korb voll mit Wäsche und Kleidung.  
 
                           
 
 
 
Während der Reise gab es immer wieder längere Aufenthalte. Zweimal hatten wir Unterbrechungen an ausgbrannten Fabriksruinen. Die eine war eine Nadelfabrik gewesen. Ich erinnere mich an riesige Berge von Sicherheits- und anderen Nadeln. Die zweite war eine Bonbonfabrik. In den Bergen von verschmolzenen Zuckerln konnte man sich den einen oder anderen süssen Brocken herausbrechen. An eine Nacht erinnere ich mich, die wir unter dem Sternenzelt verbringen mussten.  
 
Einige Tage muss die Reise schon gedauert haben. Im Herbst 1945 kamen wir also in Wien an und kamen in ein Auffanglager in der Kolonitzgasse, das in der 'Kolonitz Schule' eingerichtet war. Direkt neben einem Stapel hoch aufgetürmter Schulbänken hatten wir unser Nachtlager. Eines Morgens fand man eine Frau auf der Schul-Toilette erhängt. Aus großen Kesseln wurden wir täglich mit gestampften Kartoffeln versorgt, welche kaum oder gar nicht geschält worden waren. Auch etwas Fischgeschmack war dabei. Vorher gab es Suppe mit noch harten Erbsen. Trotzdem schmeckt mir Erbsensuppe heute noch.  
 
 
                            * * *
» zum Seitenanfang
Valid XHTML 1.0 Strict